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Künstlerlandschaft Chiemsee, Oberbayern
1984 war die Verwaltung des Marktes Prien aus ihrem Gebäude an der Prien-Brücke in ein neues Rathaus an der Bernauer Straße umgezogen. Der damalige Gemeinderat hatte daraufhin beschlossen, das bisherige Rathaus in eine kommunale Kunstgalerie umzuwidmen, eine Entscheidung, deren Bedeutung wir rückblickend nicht hoch genug schätzen können. Mit einer eigenen kommunalen Galerie bekam die bildende Kunst in Prien ein endgültiges Zuhause.
Die neue Galerie sollte neben dem kommunalen Standbein noch eine weitere Stütze in einem privatrechtlich organisierten Verband kunstinteressierter Bürger erhalten. Seine Aufgabe sollte es sein, der Kommune unabhängig von der Person des Bürgermeisters und der Zusammensetzung des Gemeinderats finan-zielle Mittel für die Galerie im Alten Rathaus und das Heimatmuseum zur Verfügung zu stellen.
Am 14. Mai 1985 setzten im Nebenzimmer des Hotels Bayerischer Hof in Prien 51 Personen ihre Unterschriften als Gründungsmitglieder unter die Urschrift der Satzung des Kulturfördervereins. Ziel des Vereins war es und ist es bis heute, einerseits die fast zweihundertjährige Tradition der Künstlerlandschaft Chiemsee zu pflegen, andererseits für die zeitge-nössischen Maler und Bildhauer, die heute unsere Künstlerlandschaft lebendig halten, angemessene Ausstellungsräume zu schaffen. Es gelang, die Künstler, die sich bisher vom offiziellen Prien vernachlässigt fühlten, in das Vereinsleben einzubinden und sie davon zu überzeugen, dass der Verein gemeinsam mit den Künstlern auch und gerade die zeitgenössische regionale Kunstszene prägen und fördern wolle.
Den Erfolg dieser Bemühungen belegt ein Blick in die Liste der Ausstellungen. Mit weiteren Ausstellungen im Sitzungssaal des Neuen Rathauses, im Foyer des Kleinen Kursaals und im Heimatmuseum sind es insgesamt rund 180 Ausstellungen, die der Kulturförderverein bis 2015 mittrug und -organisierte. Hierzu wurden zahlreiche Kataloge oder Faltblätter ermöglicht. Verbesserungen der Infrastrukturen in der Galerie und im Heimatmuseum wurden vom Verein vorgeschlagen und teilweise auch finanziert. So bezuschusste der Kulturförderverein die Renovierung der Galerie im Jahr 2016 mit einem Betrag von 170 000,- Euro.
Meilensteine in der Entwicklung des Vereins waren der Beitritt zu EuroArt im Jahr 2002 und die vom Kulturförderverein veranlasste und finanzierte Herausgabe des Werkes „Künstlerlandschaft Chiemsee“.
EuroArt und Künstlerlandschaft Chiemsee – beides hat den Kulturförderverein in dem Ziel bestärkt, im Wissen um eine fast 200jährige Tradition eine auch heute noch lebendige Kunstszene rund um den See zu pflegen und zu fördern. Auch in der Zukunft werden Ausstellungen in der Galerie im Alten Rathaus sowie im Heimatmuseum mit seiner historischen Galerie der Chiemseemaler die Vereinstätigkeit bestimmen.
Die Filiation Prien (Maler vor 1800)
In einem landschaftlich so reizvollen Ort wie Prien sind natürlich schon vor 1800 und damit ohne Einfluss der Fraueninsel Maler nachweisbar, wie etwa Peter Reul, der das Bild des gotischen Hochaltars der Pfarrkirche Prien um 1465 / 1470 schuf. Von großer Bedeutung ist Jacob Carnutsch. Er kam um 1679 nach Prien und gelangte hier zu großem Ansehen. Gemeinsam mit dem aus Innsbruck stammenden Maler Josef Eder gestaltete er beim Neu- und Umbau der Domstiftskirche Herrenchiemsee zu einem barocken Gotteshaus die Fresken in Chor- und in den Seitenkapellen, die Altarbilder und mehrere Gemälde.
Zu erwähnen sind weiter die Trautersdorfer Freskenmaler Joseph Tiefenbrunner (Vater, 1709 – 1787) und Franz Xaver Tiefenbrunner (Sohn, 1736 – 1777). Neben verschiedenen Kirchenausschmückungen wie in Hirnsberg, Niederaschau, Thalkirchen, St. Florian, St. Salvator haben die Tiefenbrunners zahlreiche Bürger- und Bauernhäuser in Prien und Umgebung mit Fresken ausgestattet, so zum Beispiel den Wider-Hof in Trautersdorf und die Giebelfront der Aumühle.
An der Schwelle zum 19. Jahrhundert steht schon Benedikt Furtner, geboren 1774 auf Frauenchiemsee, der als erster bildender Künstler auf der Fraueninsel genannt wird und sich 1819 durch Einheirat dauerhaft in Prien an der Bernauer Straße niederließ.
Bären und Löwen
Im 19. Jahrhundert bilden sich als Künstlergemeinschaft die Bären und Löwen mit Hugo Kauffmann (1844 – 1915) als wichtigstem Vertreter, der seit 1872 in einem großzügigen Landhaus im Priener Ortsteil Gries wohnte. Hugo Kauffmann erhielt seinen ersten Kunstunterricht in seiner Heimatstadt Hamburg. Von 1861 bis 1863 war er Schüler am Städelschen Institut in Frankfurt / Main bei dem Genremaler Jakob Becker. Anschließend hielt er sich bis 1867 in der Künstlerkolonie Kronberg auf, bevor er über Düsseldorf nach Paris kam. Der Krieg 1870 / 1871 zwang ihn nach Deutschland zurück. Dass er ab 1872 in dem Chiemseeort Prien seinen dauernden Aufenthalt nahm, ist nun sicher kein Zufall, sondern dem Ruf der Künstlerkolonie Frauenchiemsee einerseits und der Chiemseelandschaft als Malerparadies andererseits geschuldet.
Da es nicht jedermanns Sache ist, auf einer Insel zu wohnen, die im Winter oft nur schwer zu verlassen und zu erreichen ist und im Sommer von Fremden überquillt, ist leicht vorstellbar, dass Hugo Kauffmann die Bequemlichkeit eines idyllischen Ortes am Festland mit einer so guten Verkehrsinfrastruktur, wie diese Prien ab 1860 bot, vorzog. Auf der Fraueninsel hätte er auch kaum ein Areal von etwa einem Hektar erwerben können. Hugo Kauffmann malte besonders gern einheimische Bauern, Jäger und Wilderer sowie Viehhändler. Besuchsweise in den Sommermonaten hielt sich auch der Vater Hugo Kauffmanns, der Maler Hermann Kauffmann (1808 – 1889), bei den Bären und Löwen in Prien auf.
Zu diesem Künstlerfreundschaftskreis zählten die Maler Wilhelm Hauschild, Julius Frank, Felix Schlesinger, Carl Buchner und Carl Roux und vor allem Wilhelm Marc (1839 – 1907), der Vater des berühmten Franz Marc (1880 – 1916). Gemeinsam mit Wilhelm Hauschild und Julius Frank war Wilhelm Marc für die künstlerische Ausmalung des Königsschlosses Herrenchiemsee von Hofbaudirektor Dollmann engagiert worden.
Die Maler, zu denen sich auch Kunstfreunde gesellten, trafen sich in der Söllhuber Wirtschaft am Gries. Die noch Ledigen unter ihnen nannten sich Löwen, die Verheirateten Bären, wobei es durchaus vorkam, dass durch die Beweibung sich die Metamorphose vollzieht, wodurch Löwen in Bären umgewandelt werden.
Entsprechend dem Frauenchiemseer Vorbild gab es auch eine Künstlerchronik, die heute in Besitz des Priener Heimatmuseums ist . Sie schließt 1897 mit der traurigen Kunde, dass die alte Bären- und Löwenhöhle, nämlich die Söllhuber Wirtschaft, nach und nach vollständig verödet sei. Den Bären und Löwen ist mittlerweile in der Historischen Galerie der Chiemseemaler im Anbau zum Heimatmuseum ein angemessener Raum zugewiesen. Eine fundierte wissenschaftliche Einzeldarstellung dieser für Prien und die Künstlerlandschaft Chiemsee so wichtigen Künstlergemeinschaft fehlt bisher noch.
Nicht den Bären und Löwen zuzurechnen ist Emil Lugo (1840 – 1902). Da er ab 1888 in Prien als Landschaftsmaler tätig war, dürfen wir aber annehmen, dass er durchaus Kontakte mit Hugo Kauffmann und dessen Freunden pflegte. Emil Lugo gilt als stiller Maler, dessen subtile Darstellungen die Schönheit des Chiemsees eingefangen haben.
Die Frauenwörther
Nicht im eigentlichen Sinn zur Filiation Prien gehört die Künstlergruppe Frauenwörther, die im Jahr 1920 von Hiasl Maier-Erding (1894 – 1933), Thomas Baumgartner (1892 – 1962), Constantin Gerhardinger (1888 – 1970) und Rudolf W. Groeschel (1891 – 1985) begründet wurde. Die beeindruckendste Persönlichkeit dieser Künstlergruppe ist Hiasl Maier. Der Gastwirtsohn aus Erding lernte in Prien, wohl auf Betreiben seiner Eltern, zunächst im Malerbetrieb Schöberl, Dekorationsmalerei und war in dieser Zeit im Mühleisenanwesen wohnhaft. Wir können ihn deshalb auch für Prien als Maler vereinnahmen. Erst nach erfolgreichem Abschluss dieser Lehre nahm Hiasl Maier das Studium der Malerei auf, zunächst 1911 an der Königlichen Kunstgewerbeschule in München, ein Jahr später als Schüler von Karl Raupp und dessen Nachfolger Angelo Jank (1868 – 1940) an der Akademie. Hiasl Maier malte mit besonderer Ausdruckskraft und gekonntem Pinselstrich seine oberbayerische Heimat, insbesondere den Chiemsee, dessen Ufer und die hier wohnenden Menschen. Auch Priener Motive wie der Wider-Hof in Trautersdorf finden sich in seinem Werk. Schade, dass ihm nur ein kurzes Leben vergönnt war!
Die Welle
Prien am Chiemsee, seit dem Mittelalter Gerichtssitz, seit 1897 Markt, entwickelt sich aufgrund seiner günstigen Lage zum Mittelpunkt der Künstlerlandschaft Chiemsee. Die Künstler, die sich ab 1921 in der Künstlergemeinschaft Welle zusammengefunden hatten, unter ihnen Bernhard Klinckerfuss (1881 – 1940), Friedrich Lommel (1883 – 1967), Karl-Hermann Müller-Samerberg (1869 – 1946) Paul Roloff (1877 – 1951), Emil Thoma (1869 – 1948) und Paula von Goeschen-Roesler (1875 – 1941), später noch Rudolf Sieck (1877 – 1957), Rudolf Hause (1877 – 1961) und Wolfgang Zeller (1879 – 1973) errichteten auf eigene Kosten auf den Schären in Prien-Stock einen Ausstellungspavillon, in dem von 1922 bis 1933 regelmäßig Ausstellungen stattfanden.
Über den Bau des Ausstellungspavillons und seinen Abriss ist schon an verschiedenen Stellen dieses Buches berichtet worden. Organisator des Baus sowohl in planerischer als auch in finanzieller Hinsicht war Bernhard Klinckerfuss . Zu den Gästen der Welle zählte vor allem Theodor Hummel (1864 – 1939). Der Name Welle geht auf eine Anregung von Annette Thoma zurück, deren Ehemann Emil Thoma für das markante Emblem der Welle verantwortlich zeichnete.
Für die Nachwelt ist die Künstlergruppe Welle aus zwei Gründen von Bedeutung: Zum einen begründeten die Künstler der Welle die Tradition der Sommerausstellungen zeitgenössischer Künstler in Prien a. Chiemsee, zum anderen tauchen erstmals Malerinnen in unserer Künstlerlandschaft auf, neben dem Gründungsmitglied Paula von Goeschen-Roesler als Gast Lisbeth Lommel (1877 – 1970), Schwester des Bildhauers Friedrich Lommel.
Erste Ausstellung 1945 in Prien
Schon im August 1945 trafen sich auf Initiative von Georg Wilhelm Maxon und Dr. Hugo Decker, Künstler des Chiemgaus, im alten Amtsgerichtsgebäude zur wohl ersten deutschen freien Kunstausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die ausstellenden Künstler waren Arnold Balwé, Elisabeth Balwé-Staimmer, Georg Blank, Hugo Decker, Willibald Demmel, Willi Geiger, Rupprecht Geiger, Hermann Geiseler, Fritz Harnest, Hermann Hegenauer, Theodor von Hötzendorff, Robert Kallenberger, Fritz Halberg-Krauss, Otto Hohlt, Rudolf Kriesch, Fritz Kühner, Karl Leipfinger, Erika Lochmüller, Friedrich Lommel, Marianne Lüdicke, Wilhelm Georg Maxon, Karl Meisenbach, Anton Müller-Wischin, Lore Müller, Georg Johann Schlech, Rudolf Sieck, Hans Stangl, Adolf Vogel.
Dieser Ausstellung folgten jährliche Ausstellungen in der Volksschule. 1966 schlossen sich auf Initiative von Lenz Hamberger (*1940) , Konrad Huber (*1920) und Markus von Gosen (1913 – 2004) Priener Künstler zu einer Gruppe zusammen, die sich modernen Strömungen öffnete und jährlich Frühjahrs- und Weihnachtsausstellungen veranstaltete. Neben den drei bereits Genannten gehörten dieser Gruppe an: Arnold Balwé, Alphons Frieling, Erich Glette, Hannah von Gosen, Markus von Gosen, Hans Haffenrichter, Horst Kühnel, Siegfried Moroder, Tamara Roubaud, Hansjoachim Schroeter, Gyorgy und Dorothea Stefula, Hermine Tomanek und Nils Udo.
Kalendergemeinschaft Prien und weitere Priener Maler
Zu einer besonderen Aktivität kam es 1974, als aus dem Kreise der vorbezeichneten Künstler eine Kalendergemeinschaft gegründet wurde, die ab 1975 als Gemeinschaftsarbeit von zwölf Künstlern ein Druckwerk – Holz- oder Linolschnitt – herausbrachte, wobei jedes Blatt handsigniert war und wegen der geringen Auflage von 50 Stück eine Kostbarkeit darstellte.
An der Kalendergemeinschaft nahmen teil: Sigi Braun, Alphons Frieling, Erich Glette, Hannah von Gosen, Markus von Gosen, Hans Haffenrichter, Fritz Harnest, Konrad Huber, Horst Kühnel, Walter Lederer, Marianne Lüdicke, Siegfried Moroder, Wilhelm Neufeld, Gyorgy Stefula, Joseph Thomas, Hermine Tomanek und Liesbeth Wohrizek. Von 1995 bis 2012 gab Lenz Hamberger diesen Kalender allein
heraus.
Nicht zu vergessen sind folgende Priener Künstler: Bartholomäus Wappmannsberger (1894 – 1984), der sich an barocke Tradition von hoher Qualität hielt – von ihm stammt die barocke Portalumrahmung an der Fassade des Heimatmuseums; dessen Neffe Heribert Wappmannsberger (1949 – 2010), der den Weg in die Moderne fand; die Maler Franz Seebauer (1913 – 2012) und Paul Paulus (1913 – 2013), die beide noch die traditionelle Chiemsee-Malerei der Münchener Schule pflegten und an deren Bildern sich zahlreiche Priener erfreuen; die Malerin Hannah von Gosen (1914 – 2013), die lange Zeit in Prien eine Kindermalschule leitete.
Hinzuweisen ist auch auf die Szene der zahlreichen Sonntags- oder Hobbymaler. Von 1975 bis 2009 fanden während der Osterferien Ausstellungen in der Hauptschule, ab 1979 in der Franziska-Hager-Schule, statt.